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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Markus Wolf, M.A. (Cottbus) - Curriculum Vitae
Vernunft und Kultur im politischen Liberalismus

Abstract

In seinen Vorlesungen über den Philosophischen Diskurs der Moderne charakterisiert Jürgen Habermas die gesellschaftliche Moderne im Anschluss an Reinhart Koselleck als eine Zeitepoche, die durch ein Bewusstseins ihrer eigenen Geschichtlichkeit, insbesondere aber durch das Bewusstseins eines nicht zu heilenden Bruchs mit der Vergangenheit gekennzeichnet ist. Sie kann die sie normativ leitenden Werte nicht aus überkommenen Wertüberzeugungen gewinnen, sondern muss diese Werte in dem durch sie geschichtlich eröffneten Raum finden und begründen: „[D]ie Moderne kann und will ihre orientierenden Maßstäbe nicht mehr Vorbildern einer anderen Epoche entlehnen, sie muß ihre Normativität aus sich selber schöpfen.“ (Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, 3. Aufl., Frankfurt/Main: Suhrkamp 1986, S. 16)

Diese Bestimmung charakterisiert nicht nur die Gegenwart als „Moderne“, sondern formuliert auch eine philosophische Herausforderung, die alle Bereiche der praktischen Philosophie, in besonderem Maße aber die politische Philosophie betrifft. Denn neben dem Verlust allgemein verbindlicher Traditionen und Autoritäten, aus dem die Forderung nach einer normativen Neu- und Selbstbegründung resultiert, sind moderne Gesellschaften durch einen unbestreitbaren Pluralismus von Lebensformen und Weltanschauungen gekennzeichnet, die sich aus solchen Traditionen und Autoritäten speisen. Die politische Philosophie sieht sich bei ihrer Suche nach vernünftigen Grundprinzipien der modernen Gesellschaftsordnung daher mit dem Problem konfrontiert, eine Vielzahl von einander widersprechenden Wertüberzeugungen integrieren zu müssen, um eine gesellschaftliche Ordnung zu begründen, die von den Gesellschaftsmitgliedern mit guten Gründen akzeptiert werden kann.

John Rawls hat in seiner politischen Philosophie das Schlagwort eines „vernünftigen Pluralismus“ von „Konzeptionen des Guten“ geprägt, den die moderne politische Philosophie anerkennen muss. Sie muss ihr Gebäude auf der Grundlage einer kulturellen Vielfalt errichten. Nach Rawls findet sich ein solches Fundament nicht in einer geteilten Vorstellung vom Guten, sondern in einer gemeinsamen politischen Kultur, in der sich die Gesellschaftsmitglieder als freie und gleiche Personen anerkennen, ohne dass ihre spezifischen Wertüberzeugungen und deren Begründungen in ihr vollständig aufgehen.

Im ersten Teil meines Vortrags werde ich Rawls’ Konzeption des „vernünftigen Pluralismus“ samt ihrer Begründung in der These von den „Bürden des Urteilens“ untersuchen und sie gegen den Vorwurf des Relativismus wie auch gegen einen überzogenen Rationalismus verteidigen. Dabei wird ein philosophischer Quietismus sichtbar, der sich bei aller analytischen Klarheit auf Rawls’ Unterscheidung des Vernünftigen und des Rationalen, seinen Personenbegriff und schließlich auch auf den Begriff der politischen Kultur selbst erstreckt. In seiner Konzeption lässt sich die Frage nach der Vernünftigkeit der in der Moderne zu begründenden normativen Ordnung nur eingeschränkt beantworten. Rawls glaubt, dass dieser Quietismus eine notwendige Konsequenz der „Bürden des Urteilens“ ist. Er ist der Preis, den die Philosophie bezahlen muss, wenn sie sich der modernen Pluralität von „Konzeptionen des Guten“ und der mit ihnen verbundenen kognitiven Ansprüche stellt.

Im zweiten Teil des Vortrags wird die Frage aufgeworfen, ob dieser Quietismus in der politischen Philosophie der Moderne unausweichlich ist. Rawls’ Position wird mit einer Konzeption der Grundbegriffe der politischen Philosophie als „Orientierungsbegriffe“ (Georg Mohr) kontrastiert, die in Jacques Derridas dekonstruktivistischen Schriften zur politischen Philosophie entwickelt worden ist. Orientierungsbegriffe, so soll gezeigt werden, sind formale Begriffe, die kulturell und historisch spezifische Deutungen zulassen, aber gleichwohl mit einem präzisen normativen Sinn ausgestattet sind. Sie bilden die Grundlage einer politischen Kultur, indem sie die Ideale definieren, die den Bereich des Politischen normativ konstituieren und zugleich Raum lassen, diese Ideale in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten verschieden zu interpretieren.

Abschließend wird ein in Anlehnung an Derrida entwickeltes spezifisches Verständnis von Gerechtigkeit und Demokratie als Orientierungsbegriffen vorgestellt und geprüft, inwieweit dieses Verständnis mit Rawls’ Gerechtigkeitstheorie vereinbar ist. In diesem Zusammenhang wird untersucht, inwiefern die „Vernünftigkeit“ der politischen Kultur der Moderne in der Konzeption der Orientierungsbegriffe präziser bestimmt werden kann, als es in Rawls’ quietistischem Ansatz möglich ist.

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Curriculum Vitae von Markus Wolf, M.A.

Studium:
  • Bis 2003: Philosophie, Germanistik (Leipzig, Aix-en-Provence, Potsdam, Berlin). Abschluss: M.A.
Derzeitige Universität oder Institution:
  • BTU Cottbus
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Politische Philosophie, Rechtsphilosophie, Kulturphilosophie
  • Kritische Theorie, französische Philosophie, Deutscher Idealismus, Analytische Philosophie
Berufliche Stationen:
  • 06/2004 - 10/2007: Doktorand am Institut für Philosophie und Kollegiat eines Doktorandenkollegs der Universität Bremen
  • seit 10/2007: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Gastprofessur Kulturphilosophie der BTU Cottbus
Wichtigste Publikation(en):
  • Politische Philosophie und Dekonstruktion. Beiträge zur politischen Theorie im Anschluss an Jacques Derrida, hrsg. zus. m. A. Niederberger, Bielefeld: transcript: 2007
  • „Zum Ideal der Demokratie bei John Rawls, Jürgen Habermas und Jacques Derrida“, in: A. Niederberger/M. Wolf (Hrsg.), Politische Philosophie und Dekonstruktion. Beiträge zur politischen Theorie im Anschluss an Jacques Derrida, Bielefeld: transcript: 2007, S. 77-98
  • „Kritische Neubeschreibung. Michel Foucaults Beitrag zu einer kritischen Theorie sozialer Praxis“, in: Dialektik. Zeitschrift für Kulturphilosophie, Heft 2/2003, S. 27-50.
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