Sektionsredner
Sebastian Schunk, M.A. (München) - Curriculum Vitae
Möglichkeiten und Grenzen kennzahlenbasierter Implementierung von Unternehmensethik-Konzepten
Abstract
Corporate Responsibility ist ein Thema, das aktuell insbesondere hinsichtlich seiner Ausprägungen wie Corporate Citizenship und der allgemeinen funktionalen Einbettung in die Struktur gesellschaftlicher Subsysteme stark diskutiert wird. Das dahinterstehende Konzept meint im Wesentlichen, dass Unternehmen auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihren Aktivitäten berücksichtigen.
Einerseits legen unzählige Phänomene wie Unternehmensstiftungen und -spenden, zweckgebundenes Marketing, „Gemeinwesen Joint-Ventures" und „Lobbying für soziale Anliegen“ es nahe, ein manichäistisches und konfligierendes Verständnis von marktwirtschaftlichen Prozessen und ethischen Forderungen zu hinterfragen. Andererseits ist festzustellen, dass es weder ein einheitliches Verständnis noch einheitliche konkrete Standards gibt, die verbindliche Anforderungen an unternehmerisches Verhalten formulieren. Vielmehr stellen zahlreiche Organisationen Leitlinien auf, an denen sich unternehmerische Akteure orientieren können. Dass das Konzept, dem eine hohe zukünftige Bedeutung beigemessen wird, somit systematisch und in höchstem Maße vom Bewußtsein, der Ausrichtung und der spezifischen Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Unternehmens abhängt, wurde in der Forschung bislang nicht angemessen berücksichtigt. Zu den kritischen Aspekten, die sich in diesem Zusammenhang auf der Handlungs- und Entscheidungsebene unternehmerischer Akteure ergeben, sollen Ergebnisse eines Dissertationsprojekts am Institut für Philosophie und Ökonomik an der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgestellt werden.
Multinationale Unternehmen sind komplexe, hierarchisch organisierte soziale Systeme, in denen das grundlegende Verhalten über Prozesse und Methoden gesteuert wird. Entscheidungen werden in der Regel basierend auf dezentral, d.h. von Stabsabteilungen erstellten Vorlagen getroffen. Die Unternehmensleitung wägt dabei – meist ohne dezidierte Detailkenntnisse – zwischen Handlungsalternativen ab, die durch objektive, belastbare und in der Regel monetäre Kennzahlen beschrieben sind. Wenn, wie bislang häufig bei Corporate Citizenship-Maßnahmen, diese Kennzahlen nicht oder nur ungenügend vorliegen, ist der optimale Ablauf der Entscheidungsfindung in diesem hierarchischen System gestört, was zur Folge hat, dass Aktivitäten vieler Unternehmen als unkoordiniert und bruchstückhaft zu bezeichnen sind. Beispiele dafür sind inhaltlich nicht nachvollziehbare Spenden oder intensive Förderung einzelner kultureller Einrichtungen, welche sich weder durch eine Nähe zur eigentlichen Unternehmenstätigkeit auszeichnen noch bei Stakeholdern besondere Beachtung finden.
Neben der Schwierigkeiten, die sich aus den Entscheidungsprozessen selber ergeben können, wenn keine Kennzahlen vorliegen, haben Unternehmen außerdem Probleme, ihre Lage (von „Sponsoring“ über „Wahl der Produktionsmittel“ bis „Produktportfolio“) mit Stakeholdern objektiv und transparent zu erörtern, was allerdings im Hinblick auf deren Akzeptanz und Nachhaltigkeit von großer Bedeutung wäre. Die Wirkung der Corporate Citizenship-Maßnahmen für die Allgemeinheit bleibt wegen mangelnder Nachhaltigkeit hinter ihren Möglichkeiten zurück, und ist durch die Ineffizienz auch für das Unternehmensziel der Gewinnmaximierung nicht förderlich.
Bei einem Überblick über die aktuelle diesbezügliche Forschung zeigt sich, dass bisher wenige Erkenntnisse zur quantitativen Darstellbarkeit gesammelt wurden. Wenn die Unternehmensethik es als ihre Aufgabe ansieht, unternehmerisches Handeln zu verstehen und damit verbundene ethische Aspekte zu fördern, so muss sie gerade für diese Zusammenhänge ein genaueres Verständnis erarbeiten.
Daher wird in einem ersten Schritt eine Online-Umfrage unter Mitarbeitern multinationaler Konzerne in den Stabsabteilungen Strategie, Marketing, Controlling, Unternehmenskommunikation, Corporate Responsibility und der Unternehmensleitung zur organisatorischen Struktur sowie der Eingliederung, dem Informationsfluss und den Entscheidungsabläufen im Hinblick auf Corporate Citizenship-Maßnahmen durchgeführt. Aus den vorläufigen Daten der noch nicht abgeschlossenen Untersuchung lassen sich zwei Punkte hervorheben: Zum einen gibt es an vielen Stellen noch ein unzureichendes Bewußtsein, welches sich auch in einer für Unternehmen eher untypischen, wenig prozessbasierten Vorgehensweise äußert. Zum anderen können einige Unternehmen bereits stimmige Konzepte aufweisen, bei denen Unternehmensethik-Maßnahmen durch Kennzahlen repräsentiert werden und auf strategischer Ebene in die übrigen Aspekte ihrer unternehmerischen Tätigkeiten integriert sind.
In einem zweiten Schritt werden Kennzahlensysteme und Konzepte wie Performance Measurement und so genannte Non-Financial Indicators, die bereits in anderen Kontexten etabliert sind, untersucht, und Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung auf den Bereich Corporate Responsibility analysiert. Eine geeignete Implementierung soll in Grundzügen skizziert werden.
Curriculum Vitae von Sebastian Schunk, M.A.
- Bis 2006: Philosophie, Politische Wissenschaften, Volkswirtschaftslehre; Wirtschaftsinformatik (Dipl.) (Ludwig-Maximilians-Universität München; Berufsakademie Stuttgart). Abschluss: Magister Artium
- Arbeitstitel: Implementierung von Unternehmensethik-Konzepten in die unternehmerische Praxis (Ludwig-Maximilians-Universität München)
- Ludwig-Maximilians-Universität München
- Corporate Citizenship: Normativer Begründungsdiskurs und praktische Integration in Unternehmensstrategien
- 2006 - 2008: Consultant