Sektionsredner
Jens Kohne, M.A. (Kaiserslautern) - Curriculum Vitae
Die Kunst, Duchamp und der feine Unterschied
Abstract
Die nachfolgenden Überlegungen sollen versuchen zu zeigen, daß Kunstwerke im Searleschen Sinne soziale Tatsache sind. Meine zugrundeliegende These ist daher: Ontologisch ist ein beliebiges Kunstwerk, sagen wir Duchamps "Fontäne", von einem Nichtkunstwerk, sagen wir einem handelsüblichen Pissoir, tatsächlich nicht unterschieden (vgl. dazu auch Kulenkampff 2005: 132/ 133). Die jedoch deutlich vorhandene Differenz zwischen "Fontäne" und Pissoir liegt im unterschiedlichen Status von Kunstwerk und Nichtkunstwerk. Während das Pissoir ein nur raum-zeitlicher Gegenstand ist, ist die "Fontäne" eine soziale Tatsache, deren Status, ihre Existenz als Kunstwerk, auf einer öffentlichen Deklaration beruht.
Um mein Argument zu entwicklen, wird es zunächst nötig sein einige allgemeine Bemerkungen zu Duchamps ready mades zu machen, um dann fortzufahren mit zwei Überlegungen zum Herstellungszusammenhang des Kunstwerkes als dem Kriterium des Unterschiedes zwischen Kunst und Nichtkunst, die sich allerdings als irreführend herausstellen werden und daher zurückgewiesen werden müssen (2. Abschnitt). Tatsächlich, so werde ich im 3. Abschnitt zeigen, ist es der Gebrauchszusammenhang, der ein gewöhnliches Ding deutlich von einem beliebigen Kunstwerk trennt. Abschließend (4. Abschnitt), nachdem deutlich geworden ist, was der Unterschied zwischen Kunst und Nichtkunst ist, will ich kurz die Frage untersuchen, auf welche Weise etwas überhaupt den Status eines Kunstwerkes erhält. Dabei versuche ich dafür zu argumentieren, daß es der Betrachter ist, der ein Ding zu einem Kunstwerk macht und dies auf zweierlei Weise: (i) durch die Sinngebung des Künstler selbst, indem er nämlich einem beliebigen Ding eine neue Bedeutung zuweist und (ii) durch die Akklamation der Öffentlichkeit, die dieses neubedeutete Ding in dieser neuen Bedeutung akzeptieren muß. Dadurch erst wird diesem neubedeuteten Gegenstand dann der Status eines Kunstwerk zuerkannt.
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Curriculum Vitae von Jens Kohne, M.A.
- Bis 2003: Philosophie, Politikwissenschaften, Kunst- und Medienwissenschaften (Universität Konstanz). Abschluss: M.A.
- Knowledge as a mental state? Reflections on John Cook Wilson, Harold A. Prichard and John L. Austin (TU Kaiserslautern)
- TU Kaiserslautern
- Erkenntnistheorie
- Ontologie
- Ästhetik
- 06/2004 - z.Z.: Wissenschaftlicher Mitarbeiter
- Kohne, Jens 2005a: Drei Variationen über Ähnlichkeit, Hildesheim/Zürich/NY
- Kohne, Jens 2006: Vom Primat des Betrachtens. Reflexionen zum Unterschied von Kunst zu Nichtkunst, in: Conjectura 11 (2), 103-117
- Neuser, W./Kohne, J. (Hrsg.) 2008: Hegels Lichtkonzepte. Zur Verwendung eines metaphysischen Begriffs in Naturbetrachtungen, Würzburg