Kontakt: Universität Duisburg-Essen, Institut für Philosophie, Stichwort: Kongress 2008, Universitätsstr. 12, 45117 Essen - Tel.: 0201/183-3486, E-Mail: infodgphil2008.de
Sektionsredner

Eine Auflistung der Sektionsredner finden Sie in alphabetischer Sortierung unter nachfolgendem Link


Verzeichnis der Sektionsredner

Download Programm

Unter folgendem Link können Sie sich das Gesamtprogramm als PDF (1 MB) herunterladen: Download PDF.

Kontakt

Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

Institut für Philosophie
Stichwort: Kongress 2008
Universität Duisburg-Essen
Universitätsstr. 12
45117 Essen

Häufig gestellte Fragen

Sollten Sie Fragen haben, schicken Sie eine E-Mail an info dgphil2008.de. Möglicherweise finden Sie auch bei den häufig gestellten Fragen eine Antwort.


FAQ

Sektionsredner

Steffen Kluck, M.A. (Rostock) - Curriculum Vitae
Pathologien der Wirklichkeit – Ein Beitrag zur Phänomenologie der Täuschungen

Abstract

Besieht man, welche Positionen heute den philosophischen Diskurs zum Thema „Wirklichkeit“ paradigmatisch dominieren, fällt die eingeschränkte Relevanz phänomenologischer Ansätze auf. Von philosophischer Seite wird ein ‚ontologischer Rang’ zumeist nur den Objekten zuerkannt, die sich durch Attribute auszeichnen, welche dem Theorierahmen der Naturwissenschaften, insbesondere der Physik entstammen – es sei beispielhaft auf die raum-zeitliche Einordnung und die exakte Messbarkeit verwiesen. Vieles allerdings, was unseren Alltag unwillkürlich bestimmt, wird durch solche Merkmalsraster nicht erfasst. Diese Diskrepanz hat bereits Edmund Husserl kritisch beanstandet. Ihr entspringt sein Versuch, die „Lebenswelt“ den – um mit Martin Heidegger zu sprechen – „entlebenden Tendenzen“ (GA 58, S. 77) der Wissenschaften entgegenzusetzen. Mit diesem Konzept ist ein Weg gewiesen, der Wirklichkeit auch in ihrer über das physikalisch Reale hinausreichenden Fülle philosophisch gerecht zu werden. Geht man diesen Weg, wie es schon vor Entwicklung des Lebenswelt-Konzepts Wilhelm Schapp und Hedwig Conrad-Martius taten, wird man auf Fragen zur Wirklichkeit des lebensweltlich unmittelbar Begegnenden gestoßen. Während die Naturwissenschaften zwar genaue, aber selektive, reduktionistische Kriterien für die Beantwortung dieser Frage haben, fehlen solche für den Bereich der Lebenswelt. Gerade hier allerdings wären sie anscheinend vonnöten. „Die Lebenswelt ist ein Reich ursprünglicher Evidenzen“ (HU VI, S. 130), meinte Husserl. Vieles des sich uns unmittelbar Gebenden tritt als evident auf, stellt sich jedoch im Nachhinein, im Falle von Täuschungen, als irreal heraus. Immer sind Menschen gezwungen, Phänomene dar-aufhin zu beurteilen, ob sie ‚Sein’ oder ‚Schein’ sind. Beispiele dafür können so banal sein wie sehr schwache Wahrnehmungen (kaum hörbares Murmeln) oder auch so komplex wie Déjà-vu-Erlebnisse. Es ist dem Primat des naturwissenschaftlichen Realitätsmodells geschuldet, dass wir bei solchen Begebenheiten nicht länger verweilen, um uns ihrer Tragweite bewusst zu werden. Nur allzu leicht nutzen wir tradierte Erklärungsmuster, um die Entscheidung zwischen ‚Sein’ und ‚Schein’ zu fällen, nur allzu leicht gewinnt eine konstruierte Wirklichkeit Deutungshoheit über die Lebenswelt. Hier vermag eine phänomenologische Analyse tiefer als andere in die Bedingungen menschlicher Wirklichkeitserfahrung einzudringen. Die Momente ernüchterter Wirklichkeitsprotentionen sind es, deren Relevanz für eine phänomenologische Annäherung an die Realität der Lebenswelt kaum zu über-schätzen ist. „In der Enttäuschung“, wie Herbert Leyendecker betont, „[ist] gerade erst eine Einsicht gegeben […].“ (1913, S. 1) Vor diesem Hintergrund gilt es, die verschiedenen Phänomene, welche als Unwirklichkeitsquellen angesehen werden – zum Beispiel Illusion, Halluzination, Phantasie – voneinander zu trennen und sie in ihrer eigenen Charakteristik und Bedeutsamkeit zu begreifen. Es wird sich zeigen, dass im Scheitern der Wirklichkeit diese sich selbst verrät. Als typische Anzeichen von Wirklichkeit sind in der Geistesgeschichte verschiedene Motive betont worden, etwa Widerständigkeit, Anschaulichkeit, Klarheit oder Härte. Es gibt daneben aber auch Strömungen, die die Angabe eines Kriteriums der Wirklichkeit für unmöglich halten. Solcherlei Einwände übersehen jedoch, dass der Mensch alltäglich Entscheidungen dahingehend vornimmt, für die er zweifelsohne phänomenalen Anhalt haben muss. Beginnt man daher die Suche nach diesem Anhalt sozusagen ‚ex negativo’, also bei den Erlebnissen, die lebensweltlich als unwirklich bestimmt werden, eröffnet sich eine Möglichkeit, dem Gesuchten näherzukommen. Als Phänomenbasis bieten sich dafür umfangreiche psychologische Studien an, die sich mit psychopathologisch einschlägig erkrankten Menschen und deren Erlebnissen beschäftigen. Dieses Material stellt eine bisher nur unzureichend erschlossene Fundgrube für phänomenologische Forschungen dar, die helfen können, bestehende ontologische Dogmen zu hinterfragen und zu überwinden. Schon Karl Jaspers hatte in seiner „Allgemeinen Psychopathologie“ darauf hingewiesen, inwieweit eine Offenheit zur Beschäftigung mit vermeintlich krankhaften Erscheinungen uns „bereit [hält] gegenüber der immer neu zu erfassenden Wirklichkeit.“ (1953, S. 36) Pathologien lebensweltlicher Wirklichkeitserfahrungen bieten die Chance, Realität phänomenologisch schärfer zu fassen. Ausgehend von Erlebnissen der Unwirklichkeit, wie sie zum Beispiel im Kontext von Depersonalisation, Depression, Drogenrausch und ähnlichem vorkommen, wird sich ein Inventar charakteristischer phänomenaler Anzeichen herausstellen lassen, anhand derer das Verständnis für das Phänomen „Wirklichkeit“ befördert werden kann. Ein solches Inventar plausibler Merkmale bietet eine Alternative zum reduktionistisch „entlebten“ Weltverständnis.

  • nach oben
  • zum Kalender

Curriculum Vitae von Steffen Kluck, M.A.

Studium:
  • Bis 2006: Philosophie, Germanistik (Universität Rostock). Abschluss: M.A.
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Rostock
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Phänomenologie
  • Philosophie der Wahrnehmung
Berufliche Stationen:
  • 2006 - 2009: Doktorand
Wichtigste Publikation(en):
  • Gestaltpsychologische Einflüsse auf den Wiener Kreis“, in: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. Sektionsbeiträge des XX. Deutschen Kongresses für Philosophie, Bd. 2, Berlin 2005, S. 489-500.
  • (zusammen mit H.J. Wendel, O. Engler, T. Fox, H. Benkert, B. Henning) „Die Moritz-Schlick-Gesamtausgabe (MSGA) – Zur Kreativität und Rezeptivität einer historisch-kritischen Ausgabe“, in: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. Sektionsbeiträge des XX. Deutschen Kongresses für Philosophie, Bd. 2, Berlin 2005, S. 847-858.
  • nach oben
  • zum Kalender