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Sektionsredner

Dr. Ludger Jansen (Rostock) - Curriculum Vitae
Die Kultur der Interkulturalität. Sozialontologische Dimensionen von Kulturen

Abstract

Interkulturalität – das Projekt, Kommunikation und Zusammenleben kulturübergreifend zu ermöglichen oder auch nur Phänomene kulturübergreifend zu vergleichen – setzt die Rede von Kulturen im Plural voraus: Interkulturalität ist nur möglich, wenn es eine Mehrzahl von Kulturen gibt, wenn man Kulturen mithin voneinander abgrenzen und zählen kann. Aber wer oder was wird interkulturell verbunden oder verglichen? Ich möchte drei Bedeutungsvarianten von „Kultur“ und die ihnen zugrundeliegenden Individuationsprinzipien diskutieren, die jeweils ihre eigene Antwort auf diese Fragen geben.

Eine erste Sicht versteht Kulturen als Kollektiventitäten, zu denen menschliche Individuen auf irgendeine Weise durch Herkunft und/oder Sozialisation „zusammengeschweißt“ werden. Interkulturalität ist dann eine Beziehung zwischen zwei solchen Kollektiven; sie betrifft in dieser Sichtweise die friedliche Koexistenz bzw. der Vergleich zwischen zwei distinkten Gruppen von Menschen. Ein Kulturkonflikt ist dann in Analogie zu einem Fußballspiel zu verstehen: Zwei gegnerische Mannschaften stehen sich gegenüber und wetteifern um den Sieg. Es ist ein solches Bild, daß eine Metaphorik vom „Kampf“ oder gar „Krieg“ der Kulturen nahelegt. Es handelt sich dann gewissermaßen um hyperpersonale Kulturkonflikte.

Man muß eine Kultur hingegen nicht als ein Kollektiv aus individuellen Menschen verstehen, sondern kann sie zweitens auch als die Gesamtheit des durch Sozialisation erworbenen „sozialen Wissens“ eines Menschen auffassen (also z.B. von diesem Menschen akzeptierte „Man tut das so“-Sätze). Interkulturalität ist dann eine Beziehung zwischen zwei Wissensbeständen; sie betrifft dann die friedliche Koexistenz von Menschen, die unterschiedliche soziale Wissensbestände akzeptieren bzw. den Vergleich zwischen diesen Wissensbeständen. Ein Kulturkonflikt tritt auf dieser Ebene ein, wenn zwei Personen mit zueinander konträrem sozialen Wissen aufeinanderstoßen und z.B. gemeinsam eine Situation meistern müssen, für die sie unterschiedliche „Man tut das so“-Sätze akzeptieren. Konflikte solcher Art können als interpersonale Kulturkonflikte beschrieben werden.

Die beiden bisher unterschiedenen Bedeutungen von „Kultur“ stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Einerseits ist Wissen ontologisch abhängig von seinem Träger, und das ist bei sozialem Wissen eine Gruppe interagierender Individuen. Andererseits kann eine kulturelle Gruppe nicht unabhängig von dem von ihnen getragenen (und eventuell tradierten) Wissen charakterisiert und individuiert werden. Die beiden bisher vorgestellten Bedeutungen von „Kultur“ bedingen sich also gegenseitig: Das Kulturwissen ist ontologisch abhängig von der jeweiligen Kulturgruppe, die aber von jenem wesensmäßig bestimmt wird. Ein Individuum findet sich nun aber in einer Vielzahl von Kulturgruppen vor, von und in denen er Kulturwissen erwirbt. Diese Gruppen können hinsichtlich ihrer Mitglieder in einem hierarchischen Verhältnis stehen; dann kann man von Teilkulturen einer Gesamtkultur sprechen. Die Gruppen können sich aber auch überlappen und überschneiden, so wie sich etwa Volkskulturen und Religionskulturen überschneiden oder so wie sich die Kulturen wissenschaftlicher Disziplinen international über Volks- und Religionskulturen hinweg ausbreiten, sich aber gleichzeitig von den Kulturen anderer Disziplinen abgrenzen. Individuen müssen also weder einer Kultur als Gruppe noch einer Kultur als Wissensbestand ein-eindeutig zugeordnet sein. Individuen können mehreren „Einflußkreisen“ ausgesetzt sein, deren soziales Wissen sie kennenlernen und gegebenenfalls akzeptieren.

Drittens kann man daher als eine Kultur auch einen solchen Einflußbereich bezeichnen, der das soziale Wissen einer Person hervorbringt. Interkulturalität kann dann bereits auf der Ebene eines menschlichen Individuums stattfinden, das unterschiedlichen Kulturen ausgesetzt ist, die etwa konträre Handlungsanweisungen für dieselbe Situation vorschlagen (also z.B. unterschiedliche „Man tut das so“-Sätze). Hier liegt es beim Individuum, das kulturelle Wissen der einen Kultur in die Sprache der anderen Kultur zu übersetzen, ihre Wissensbestände, wenn dies möglich ist, kommensurabel zu machen oder ihre Inkommensurabilität existentiell zu bewältigen. Ein Kulturkonflikt kommt in diesem Fall mit einem einzigen Beteiligten aus; er besteht in der Frage, welcher Einflußsphäre eine Person im Streit- oder Anwendungsfall tatsächlich folgen soll: welchem Vorbild, welchem heiligen Text, welchem gesellschaftlichen Code, welchem Moralsystem etc.

Die drei unterschiedenen Bedeutungsvarianten von „Kultur“ kommen also zu ganz unterschiedlichen Bestimmungen von plurikulturellen Phänomenen wie Interkulturalität und Kulturkonflikten. Es wird zu prüfen sein, ob sie ihnen auch deskriptiv gerecht werden und ob sie eine zufriedenstellende Analyse der diachronen Aspekte von Kultur in ihrem Fortbestand und Wandel bieten.

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Curriculum Vitae von Dr. Ludger Jansen

Studium:
  • Bis 1997: Philosophie, Theologie, Publizistik (Münster, St Andrews, Tübingen, FU Berlin, Padua). Abschluss: M.Litt. (1994) + M.A.
Promotion:
  • 2001: Dispositionen bei Aristoteles (Münster)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Rostock
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Allgemeine und biomedizinische Ontologie
  • Sozialphilosophie, insbesondere Sozialontologie
  • Antike und mittelalterliche Philosophie
Berufliche Stationen:
  • 2002 - 2004: wissenschaftlicher Mitarbeiter Universität Bonn
  • 2005 - 2006: wissenschaftlicher Mitarbeiter IFOMIS Saarbrücken
  • 2006 - heute: wissenschaftlicher Mitarbeiter Universität Rostock
Wichtigste Publikation(en):
  • Tun und Können, Frankfurt u.a. 2002
  • Staatliche Toleranz und staatliche Wertorientierung, in: Wo hört die Toleranz auf?, hg. Christian Starck, Göttingen 2006.
  • Biomedizinische Ontologie, hg. gem. mit Barry Smith, Zürich 2008.
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