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Sektionsredner

Jan Gertken (Berlin) - Curriculum Vitae
Die Sein-Sollen-Schranke und das Problem der Rechtfertigung moralischer Urteile

Abstract

Einer verbreiteten Sichtweise zufolge kann die auf D. Hume zurückgehende These von der Existenz einer Sein-Sollen-Schranke (d. h. die Auffassung, dass es keine logisch gültigen Argumente mit bloß rein deskriptiven Prämissen und normativer Konklusion gibt) nicht sinnvoll bestritten werden. Darüber hinaus wird vielfach angenommen, dass dieser Befund von zentraler Bedeutung für Fragen der Moralphilosophie ist, insbesondere für das Problem der Rechtfertigung moralischer Urteile. Anliegen des Vortrags ist es, Zweifel an dieser Auffassung anzumelden. Anders als in weiten Teilen der Literatur üblich soll dabei jedoch nicht die Frage nach der Korrektheit der These von der Existenz einer Sein-Sollen-Schranke im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr die Frage nach deren philosophischer Relevanz. Es soll dargetan werden, dass die Annahme, der Sein-Sollen-Schranke komme eine besondere philosophische Bedeutung zu, eng zusammenhängt mit bestimmten Voraussetzungen, die durchaus in Frage gestellt werden können.

Primär wird die Sein-Sollen-Schranke als philosophisch brisant deswegen angesehen, weil sie als potentielle Bedrohung der Idee aufgefasst werden kann, dass sich moralische Urteile zufrieden stellend rechtfertigen lassen. Diese Sichtweise lässt sich unter Hinweis auf bestimmte Aspekte unserer moralischen Begründungspraxis verständlich machen. Einschlägig sind in diesem Zusammenhang insbesondere moralische „weil“-Sätze der Form Handlung H ist richtig (falsch), weil sie über Eigenschaft F verfügt. Es ist eine Voraussetzung respektabler moralischer Einzelurteile, dass man in der Lage ist, anzugeben, warum der beurteilten Handlung der zugesprochene moralische Status zukommt. Einer populären, aber nur selten explizit gemachten Interpretation zufolge handelt es sich bei diesen für moralische Urteile zentralen „weil-Sätzen“ gleichsam um kondensierte Argumente. „H ist richtig (falsch), weil H Eigenschaft F aufweist“ wird dann verstanden als „H ist F; also ist H richtig (falsch)“, wobei dieser Schluss nur dann als angemessen und vollständig rekonstruiert gelten kann, wenn in ihm zusätzlich ein Moralprinzip der Form Alle Handlungen, die Eigenschaft F aufweisen, sind richtig (falsch) als Prämisse vorkommt.

Dieses Verständnis von „weil“-Sätzen der genannten Art führt auf die sog. Subsumptionskonzeption moralischer Urteile, der zufolge gerechtfertigtes moralisches Urteilen in der Subsumption einzelner Fälle unter Prinzipien besteht. Dies ist der philosophische Ort, an dem die Sein-Sollen-Schranke philosophisch in besonderer Weise relevant wird. Sie macht verständlich, warum das moralische „weil“ oftmals so verstanden wird, dass es in der dargestellten Weise auf Prinzipien verweist, da sie das Bedürfnis erklärt, die logische Lücke zwischen „Handlung H ist F“ und „Handlung H ist richtig (falsch)“ durch ein Prinzip zu schließen. Darüber hinaus führt, ausgehend von der Sein-Sollen-Schranke und der Subsumptionskonzeption, ein direkter Weg in die Aporien der moralischen Rechtfertigungsproblematik, da eine moralfreie Begründung der Prinzipien, die gemäß der Subsumptionskonzeption die Last der Rechtfertigung moralischer Einzelurteile tragen, sowohl unumgänglich als auch unmöglich erscheint.

Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass die Subsumptionskonzeption, einmal explizit gemacht, zumindest dem Wortlaut nach von all denjenigen abgelehnt wird, die die Vorstellung einer quasi-mechanischen Anwendung moralischer Prinzipien zurückweisen und stattdessen die Notwendigkeit moralischer Urteilskraft betonen, legen es nahe, nach Alternativen zur Subsumptionskonzeption Ausschau zu halten. Geht man diesen Weg, so ist man jedoch gezwungen, eine alternative Interpretation moralischer „weil“-Sätze anzubieten. Eine solche bietet die Auffassung, dass mit diesen Sätzen auf die im jeweiligen Handlungskontext gewichtigsten und hervorstechenden moralisch relevanten Tatsachen hingewiesen wird. Folgt man diesem Vorschlag, so hat das primäre Interesse in Fragen moralischer Rechtfertigung nicht mehr im logischen Sinne zwingenden Argumenten zu gelten, da das Fällen moralischer Urteile im Lichte deskriptiver Überzeugungen dann nicht mehr als dem Anspruch nach logische Schlussfolgerung, sondern als Ausübung und Aktivierung bestimmter moralspezifischer Fähigkeiten und Dispositionen zu verstehen ist. Zuzugeben ist, dass hiermit die Rechtfertigungsfrage für moralische Urteile nicht beantwortet, sondern zunächst nur neu formuliert wird. Insbesondere gilt es dann, die einschlägigen Fähigkeiten genauer zu beschreiben, um so dem Bezug auf moralische Urteilskraft mehr Gehalt zu geben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Vorschlag in der Hinsicht von theoretischer Tragweite ist, dass die Sein-Sollen-Schranke vor dem Hintergrund dieser Neuorientierung merklich an philosophischem Gewicht verliert.

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Curriculum Vitae von Jan Gertken

Studium:
  • Bis 2006: Philosophie, Deutsch (Lehramt Gymnasium) (Georg-August-Universität Göttingen, University of St Andrews). Abschluss: 1. Staatsexamen
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Humboldt-Universität zu Berlin
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Normative Ethik (v.a. Deontologische Ethik, Rolle moralischer Prinzipien)
  • Metaethik (v.a. Realismus und Antirealismus, Objektivität in der Moral)
Berufliche Stationen:
  • 1.11.2007: Wissenschaftlicher Mitarbeiter
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