Sektionsredner
Dr. Frank Esken (Paris, F) - Curriculum Vitae
Der Begriff der subjektiven Perspektive in der gegenwärtigen Bewusstseinsdebatte
Abstract
Der Begriff der subjektiven Perspektive in der gegenwärtigen Bewusstseinsdebatte
Frank Esken
Institut Jean-Nicod, Paris
EUROCORES Programme „Consciousness in a Natural and Cultural Context“ (CNCC)
Einfache Formen von Bewusstsein, die auch als sensorische bzw. phänomenale Bewusstseinsweisen bezeichnet werden, wurden in den letzten Jahren in der Philosophie des Geistes zumeist als rein rezeptive Fähigkeiten bestimmt, die Lebewesen allein dadurch ausbilden, dass sie für bestimmte sinnliche Eindrücke empfänglich sind. Es hat sich jedoch gezeigt, dass derartige Bewusstseinskonzeptionen wie sie etwa von Tye und Dretske vertreten werden, Bewusstseinsleistungen unterbestimmen, da diese Konzeptionen nicht zeigen können, wie sich Bewusstseinsvorgänge von subliminalen sensorischen Prozessen (wie etwa „blindsight“, „Hemineglekten“ oder „ sensorischen Maskierungsphänomenen“) abgrenzen lassen. Mittlerweile wird dem Begriff der subjektiven Perspektive innerhalb der Diskussionen um einfache Formen von Bewusstsein wieder ein größerer Stellenwert eingeräumt, da sich die Frage nach der gerechtfertigten Zuschreibung von einfachen Wahrnehmungs- und Bewusstseinsleistungen nicht abtrennen lässt von der Frage, was es heisst, dass ein Lebewesen einen mentalen Zugang zu seinen sensorischen Eindrücken besitzt, wobei diese Frage nichts anderes besagt als die Frage danach, was es heißt, dass ein Lebewesen über eine subjektive, d.h. mentale Perspektive verfügt. Doch auch der Begriff der subjektiven Perspektive ist nicht ohne Schwierigkeiten, da er in den aktuellen Diskussionen in sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird. In meinem Vortrag kontrastiere ich den „klassischen“, sehr anspruchsvollen Begriff der subjektiven Perspektive, wie er in der Kant-Strawson-Tradition verwendet wird, mit weniger anspruchsvollen Konzeptionen, wie sie etwa von Susan Hurley oder José Luis Bermúdez entwickelt wurden.
1. Der „anspruchsvollen“ Konzeption von „subjektiver Perspektive“ zufolge, enthält jede Bewusstseinsleistung ein notwendig selbstreflexives Moment, ohne welches sich diese Leistungen nicht von („bewusstseinslosen“) Lernvorgängen im weiteren Sinn, über die jedes mit seiner Umwelt interagierende Lebewesen verfügt, unterscheiden lassen. Folgt man dieser Argumentationslinie, so gelangt man zu einer Konzeption von „subjektiver Perspektive“, in der Bewusstseinsleistungen an das Verstehen des Objektivitätsgedankens und somit an sprachlich strukturierte begriffliche Bezugnahmen gebunden sind, da das Verstehen des Objektivitätsgedankens an das explizite Verfügen über mentale Begriffe gebunden ist, die in sprachlich vermittelten Zusammenhängen erworben werden.Nicht nur im common sense-Verständnis von Bewusstseinsleistungen, sondern auch in weiten Kreisen der aktuellen Philosophie des Geistes gilt die Kant-Strawson-Konzeption von „subjektiver Perspektive“ als wesentlich zu anspruchsvoll, da sie nicht sprachbegabte Lebewesen nicht nur aus dem Kreis derer ausschließt, die über Selbstbewusstsein, sondern auch aus dem Kreis derer ausschließt, die über geistige Fähigkeiten im Allgemeinen verfügen.
2. Befürworter der These, dass die Ausbildung einer subjektiven Perspektive bei uns Menschen zwar in einer selbstreflexiven und an Sprache gebundenen Form einer sol¬chen Perspektive mündet, es jedoch einfachere Formen subjektiver Perspektiven gibt, argumentieren demgegenüber dafür, dass die Ausbildung einer subjektiven Perspektive auf einer basalen Ebene bereits auf einer sensorischen/phänomenalen Ebene von Bewusstseinseindrücken hergestellt wird. So identifiziert etwa Susan Hurley die Ausbildung einer subjektiven Perspektive auf einer untersten Ebene mit der Ausbildung intentionaler Verhaltensweisen, zu der auch nicht sprachbegabte Lebewesen fähig seien.
In meinem Vortrag argumentiere ich dafür, dass die Kant-Strawson-Argumentationslinie den Begriff der subjektiven Perspektive zwar tatsächlich „überintellektualisiert“, dass die bisher vorgebrachten alternativen Konzeptionen allerdings ebenfalls nicht überzeugen können, da sie in ähnlicher Weise wie Tye und Dretske phänomenale / sensorische Bewusstseinsleistungen unterbestimmten, nun den Begriff der subjektiven Perspektive bzw. den des intentionalen Verhaltens unterbestimmen. Im abschließenden Teil meines Vortrags skizziere ich einen eigenen Vorschlag zur Bestimmung des Begriffs „subjektive Perspektive“, in welchem Überlegungen aus der Psychologie und den Neurowissenschaften zu sogenannten exekutiven Funktionen („executive functions“) und „metakognitiven“ Leistungen eine Schlüsselrolle für ein Verständnis des Begriffs der subjektive Perspektive einnehmen werden.
Curriculum Vitae von Dr. Frank Esken
- Bis 1994: Philosophie, Biologie, Psychologie (Wien, Köln, Bielefeld). Abschluss: Mag.
- 2007: Geist und Kognition (Osnabrück)
- Philosophie des Geistes /Kognition
- Erkenntnistheorie
- Sprachphilosophie
- 1998 - 2002: wiss. Mitarbeiter Uni Saarbrücken, Fachbereich Philosophie
- 2005 - 2007: wiss. Mitarbeiter Uni Osnabrück, Institut für Kognitionswissenschaft
- 2007 - Ende 2008: Post-doc-fellow, Institut Jean-Nicod, Paris
- Zusammen mit H.-D. Heckmann: Bewusstsein und Repräsentation, mentis-Verlag