Sektionsredner
Dr. Eike Bohlken (Hannover) - Curriculum Vitae
Die Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten
Abstract
In den letzten Jahren ist immer häufiger von „Elitenversagen“ die Rede. Hinter diesem Begriff steht die Vorstellung, dass sich Eliten nicht (mehr) so verhalten, wie die Gesellschaft dies von ihnen erwartet. Im Hinblick auf wirtschaftliche Eliten richtet sich dieser Vorwurf etwa auf als zu hoch empfundene Gehälter und Provisionen von Managern, auf die „unpatriotische“ Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, auf Korruptionsaffären und Steuerhinterziehung. Dabei geht es nicht, jedenfalls nicht vorwiegend um den Bruch von geltendem Recht, sondern um die Enttäuschung nicht rechtlich kodifizierter Erwartungen, die sich auf das Wohlergehen des Gemeinwesens beziehen. Um diese zum Teil diffusen Erwartungen zu konkretisieren und auf ihre ethische Legitimität hin zu überprüfen, bedarf es einer Theorie der Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten.
Den Ausgangspunkt einer solchen Theorie bildet der philosophisch normative Begriff einer Verantwortungselite. Die besondere Verantwortung der Eliten, so meine These, lässt sich aus ihrer positionsbedingten besonderen Macht begründen, der Gesellschaft zu nützen oder Schaden zuzufügen. Diese Macht konkretisiert sich in den beiden Funktionen der sozialen Gestaltung und einer Vorbildwirkung. Der erste Teil des Vortrags skizziert den Begriff der Verantwortungselite und klärt, wer zur wirtschaftlichen Elite gehört (1). Seine konkrete Verbindlichkeit gewinnt der Begriff einer Verantwortungselite aber erst durch den Bezug auf den ethischen Maßstab des Gemeinwohls, der genauer in die beiden Sphären eines basalen, auf die Existenz-sicherung aller Mitglieder des Gemeinwesens gerichteten, und eines melioren über die bloße Existenzsicherung hinausgehenden Gemeinwohls zu differenzieren ist (2). Die basalen Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten, auf die ich mich im Weiteren beschränken möchte, beziehen sich wesentlich auf die Produktion, Bereithaltung und langfristige Sicherung derjenigen materiellen Güter, derer der Mensch zur Sicherung seiner Existenz als Natur-Kultur-Wesen bedarf. Als Beispiele solcher Güter können Lebensmittel, Kleidung, Wohnraum, aber auch Arbeitsplätze, Steuern und gute Umweltbedingungen dienen. Der dritte Teil diskutiert, inwieweit sich die Erzeugung und Sicherung dieser Güter zu Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten erklären lässt (3). Dabei wird es auch um eine Klärung des Verhältnisses der Gemeinwohlpflichten politischer und wirtschaftlicher Eliten (Stichwort: Ordnungspolitik) gehen sowie um die Frage, in welcher Weise sich die Gemeinwohlpflichten wirtschaftlicher Eliten von denen nicht zur Elite gehörender Wirtschaftsbürger unterscheiden.
Curriculum Vitae von Dr. Eike Bohlken
- Bis 1994: Philosophie, Neuere deutsche Literatur, Britische Sprache und Kultur (Hamburg). Abschluss: Magister Artium
- 2000: Grundlagen einer interkulturellen Ethik. Perspektiven der transzendentalen Kulturphilosophie Heinricht Rickerts (Marburg)
- Eliten und Gemeinwohl. Der Beitrag der Eliten zum guten Gemeinwesen (Tübingen)
- Tübingen
- Praktische Philosophie (Interkulturelle Ethik, politische Ethik)
- Angewandte Ethik (Bioethik, Wirtschaftsethik, Technikethik)
- Anthropologie, Kulturphilosophie, Deutscher Idealismus, Neukantianismus
- 2002 - 2007: Wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Bildung und Ethik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Mitarbeit und Koordina- tionstätigkeit am Forschungs- und Nachwuchskolleg „Bioethik im Horizont ethischer Bildung – Grundfragen und Handlungsfelder“
- 2007 - 2008: Postdoktorand am von der DFG geförderten Graduiertenkolleg „Globale Herausforderungen“ an der Universität Tübingen
- Grundlagen einer interkulturellen Ethik. Perspektiven der transzendentalen Kulturphilosophie Heinrich Rickerts, Würzburg 2002 (310 S.)
- Eike Bohlken/Siegbert Peetz (Hg.): Bildung – Subjekt – Ethik. Bildung und Verantwortung im Zeitalter der Biotechnologie, Darmstadt 2007 (258 S.)
- Das Recht auf kulturelle Differenz als Bestandteil einer interkulturellen Ethik. Überlegungen zur Vereinbarkeit von Integration und Gruppenrechten kultureller Minderheiten; in: Rechtsphilosophische Hefte. Beiträge zur Rechtswissenschaft, Philosophie und Politik, XII (2007), S. 55-78