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FAQ

Sektionsredner

Kathi Beier, M.A. (Erfurt) - Curriculum Vitae
Selbsttäuschung – Normative Reflektionen auf ein privatives Phänomen

Abstract

Zu den defizienten Selbstbezügen von Personen gehört neben dem Phänomen der Willensschwäche auch das Phänomen Selbsttäuschung. Wer sich selbst täuscht, so das herkömmliche Verständnis, hält an Überzeugungen fest, obwohl er weiß, ahnt oder zumindest starke Indizien dafür hat, dass diese unbegründet bzw. falsch sind. Angesichts der doppelten Paradoxie, in die diese Begriffsbestimmung unweigerlich führt, steht in der philosophischen Literatur die Frage im Zentrum, wie Selbsttäuschung überhaupt möglich sein kann. Wie kann man als Täuscher die Wahrheit kennen, die einem als Getäuschten zugleich verborgen sein muss (statisches Paradox)? Und verunmöglicht nicht das Wissen um die Absicht, vor sich selbst die Wahrheit zu verbergen, die Realisierung dieser Absicht, also den wahrhaften Glauben an das Falsche (dynamisches Paradox)?

Weil die Debatte um Selbsttäuschung auf epistemische bzw. kognitionstheoretische Überlegungen dieser Art beschränkt ist, sind Reflektionen auf den ontologischen Status und die damit verbundenen ethisch-normativen Implikationen von Selbsttäuschung selten. Diesen will ich mich im Vortrag widmen. Dabei geht es mir vor allem um drei Thesen:

1. Dass es Selbsttäuschung gibt, zeigen nicht zuletzt die literarischen Verarbeitungen dieses Phänomens, etwa bei Max Frisch (Homo faber) oder Leo Tolstoi (Anna Karenina).

2. Selbsttäuschung ist ein privatives Phänomen. Es fordert unsere Vernunft heraus, weil es wie alles Privative selbst keine Form hat, sondern nur als Abweichung von einer Form verständlich gemacht werden kann. Selbsttäuschung, so die These, ist ein Defekt personaler Selbstbestimmung. Sie basiert auf der defizitären Realisierung eines vernünftigen Vermögens, des Vermögens nämlich, uns und unser Leben mit Hilfe von Selbstentwürfen und Lebensplänen zu bestimmen. Solche Entwürfe und Pläne müssen aber zu dem „passen“, was wir sind, denn was wir sind, bestimmt sich nicht allein dadurch, was wir sein wollen. Wer die Abhängigkeit des Sich-selbst-Bestimmens vom Bestimmt-Sein übersieht, indem er wie Frischs Figur Walter Faber oder Tolstois Alexej Karenin in selbsttäuscherischer Manier Bestimmungen verleugnet, mit denen er doch konfrontiert ist, lebt kein gutes Leben.

3. Die Versuchung, sich selbst zu täuschen, wird vor dem Hintergrund der Endlichkeit des Menschen verständlich. Weil wir wissen, dass unsere Existenz endlich ist, neigen wir mitunter dazu, das, was unsere Existenz als solche bedroht (z.B. ernste Krankheiten) bzw. das, was unsere soziale Existenz gefährdet (im Falle Karenins z.B. das Scheitern der Ehe), vor uns selbst zu verleugnen. Im zweiten Fall geht Selbsttäuschung auf unser Verlangen nach Selbstachtung zurück, das wiederum zu großen Teilen auf der Anerkennung durch andere beruht. Die Hoffnung auf verdiente, nicht bloß faktische Anerkennung durch andere in der Gemeinschaft, der wir angehören, motiviert unser Handeln und orientiert uns in unserer Lebensgestaltung. Wer sich selbst täuscht, scheitert daran, sein Bedürfnis nach Selbstachtung mit seinem Wissen davon, was der Fall ist, abzugleichen. Selbsttäuschung ist der Versuch, so die These, der antizipierten Missbilligung der anderen und dem Verlust seiner Selbstachtung zu entgehen.

Ohne Reflektion auf die normativen Implikationen von Selbsttäuschung, so soll im Vortrag deutlich werden, bleibt dieses Phänomen unverständlich. Psychologische (S. Freud, D. Davidson), kognitionstheoretische (A. Mele, A. Barnes) und existentialistische (J.-P. Sartre) Erklärungsversuche, die normative Überlegungen zugunsten einer rein deskriptiven Beschreibung typischerweise ausklammern, laufen vor allem Gefahr, das defizitäre Moment von Selbsttäuschung zu nivellieren.

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Curriculum Vitae von Kathi Beier, M.A.

Studium:
  • Bis 2002: Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte (Leipzig). Abschluss: Magister
Promotion:
  • Selbsttäuschung (Erfurt)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Erfurt
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