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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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Sektionsredner

Dr. Thomas Bedorf (Hagen) - Curriculum Vitae
Interkulturelle Anerkennung, die Verkennung der Identität und der postkoloniale Diskurs

Abstract

Konflikte zwischen Kulturen sind als Kämpfe um Anerkennung beschrieben worden. Diese Beschreibung sollte zwei wesentliche Vorteile gegenüber anderen Beschreibungen bringen. Zum einen kommen in Anerkennungskämpfen sowohl die partikulare Differenz einer Kultur als auch die universale normative Perspektive zur Geltung. Anerkennung besteht dann genau darin, daß die Differenz qua Achtung oder Schätzung positiv bewertet wird und so zugleich sich der kriteriale Rahmen dessen, was als achtenswert gilt, prospektiv erweitert. Zum anderen kann so dem prozeßhaften Charakter interkultureller Begegnungen Rechnung getragen werden, da nicht bereits die Norm vorausgesetzt werden muß, nach der der Wertungs- oder Zielkonflikt bemessen werden soll.

Diese Deutung der Anerkennung als Werkzeug zur Analyse und Evaluation interkultureller Beziehungen und der in ihnen auftretenden Ansprüche hat mit einer Reihe von kritischen Einwänden zu kämpfen. Der Vortrag resümiert diese (weitgehend bekannten) Einwände, schlägt statt dessen vor, die Anerkennung als notwendige Verkennung zu interpretieren und stützt den Vorschlag mit einer Erörterung einer Position aus den Postcolonial Studies.

Die Theorie interkultureller Anerkennung, wie sie sich im Anschluß an Charles Taylor und Frantz Fanon skizzieren läßt, setzt sich vor allem drei Einwänden aus. Erstens bleibt ihr Begriff der Kultur unscharf, zweitens setzt ihr Begriff der Identität Authentizitätsmythen voraus und drittens schließlich läßt sich der inhärente normative Anspruch, den die andere Kultur auf die Achtung ihres Wertes stellt, nur zirkulär begründen. Diesen Einwänden läßt sich begegnen, wenn man nicht von einer sich wechselseitig stützenden Symmetrie von Anerkennendem und Anerkanntem ausgeht, sondern von einem Prozeß des Anerkennens, der sein Ziel, die Identität der anderen Kultur in ihrem So-Sein zu bestätigen, notwendig verfehlt. Dies liegt an der, von vielen Theorien der Anerkennung übersehenen Elementarstruktur der Anerkennung, in der jemand (oder eine Gruppe) von jemandem (oder einer Gruppe) als etwas anerkannt wird. Diese „rekognitive Differenz“, die an Husserls phänomenologische Differenz des „etwas als etwas“ erinnert, bewirkt, daß zwischen die in die Anerkennung Verwickelten ein Medium oder ein Maßstab tritt, der mit dem Anerkannten nicht identisch ist. Was jeweils als die Identität des Anerkannten gilt, ist demnach nicht sein bloßes Sein, sondern eine Rolle, die einer Kultur zugewiesen wird, ein lebensweltlicher Ausschnitt oder die Substantialisierung einer Eigenschaft.

Was interkulturell als Anerkennung geschuldet, erwartet oder gefordert wird, geht nicht naturwüchsig aus unserem Umgang mit Anderen hervor, sondern muß erst in einem Akt sozialer Handlungen hergestellt werden. So würde sich auch das Feld verschieben, in dem Anerkennung angesiedelt ist. Statt von der Ebene kultureller Authentizismen auszugehen, würde Anerkennung zum Gegenstand kommunikativer kultureller Prozesse. Das müßte zweierlei bedeuten: Erstens sind Anerkennungsbewegungen unabschließbare Prozesse, die nur künstlich abgebrochen werden können, und zweitens können anerkannte, vorläufige Identitäten miteinander in Konflikt geraten. Jener Teil der Kultur, der durch Anerkennungprozesse strukturiert ist, erwiese sich so als ein Konfliktfeld sich gegenseitig negierender oder auch stützender provisorischer Identitäten.

Im Kontext des anglo-amerikanischen Diskursfeldes der „Postcolonial Studies“, deren Rezeption hierzulande noch in den Anfängen steckt, ist das skizzierte Problem unter dem Stichwort der „Stimme des Anderen“ diskutiert worden. Die Wiederentdeckung bislang ungehörter, weil unterdrückter Stimmen aus den postkolonialen Staaten führte dazu, daß zahlreiche autochthone Dokumente aus Asien, Afrika und Südamerika gegen den hegemonialen Diskurs des Westens öffentlich aufgewertet wurden. Zweifel an der Indienstnahme dieser widerständigen Stimmen äußerte besonders pointiert die (erst 2008 mit einigen deutschen Übersetzungen hierzulande sichtbar werdende) Derrida-Übersetzerin Gayatri Spivak. Ihre Frage, ob die postkoloniale Andere tatsächlich auf diese „entbergende“ Weise zu sprechen vermag, hat eine umfassende Diskussion ausgelöst. Im Kontext des Vortrags ist insbesondere ihr Begriff eines „strategischen Essentialismus“ von Interesse. Im Hinblick auf den entfalteten Begriff der verkennenden Anerkennung läßt sich daran zeigen, daß Kämpfe um interkulturelle Sichtbarkeit von einem Paradoxon gekennzeichnet sind. Als was auch immer eine Kultur anerkannt werden mag, ihr „Kern“ wird stets verfehlt, nicht nur weil kulturelle Identitäten keine essentielle Substanz haben, sondern auch weil die Struktur der Anerkennung notwendig ein Medium setzt. Umgekehrt kann sich aber keine solche Auseinandersetzung davon freimachen, solche Identitätsmerkmale strategisch einzusetzen, wenn überhaupt etwas durchgesetzt, d.h. anerkannt werden soll.

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Curriculum Vitae von Dr. Thomas Bedorf

Studium:
  • Bis 1997: Philosophie, Geschichte, Romanistik (Münster, Bochum, Paris). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2002: Dimensionen des Dritten (Bochum)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • FernUniversität in Hagen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Sozialphilosophie
  • Politische Philosophie
  • Ethik
Berufliche Stationen:
  • 2002: Wiss. Mitarbeiter
Wichtigste Publikation(en):
  • Dimensionen des Dritten, München 2003
  • Marginalien zu Adorno, Münster 2003
  • Die französische Philosophie im 20. Jahrhundert. Ein Handbuch, Darmstadt 2008
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